Im Jahr 1971 hatte ich als Schüler aus Schlachtteilen und Sperrmüllfunden auf einem Chassis aus Sperrholz und Preßpappe einen einfachen Stereo-Verstärker zusammengebaut. Er hat uns zusammen mit einem altem Philips-Plattenspieler mit Stereo-Kristallsystem bis 1977 gute Dienste bei Kellerpartys geleistet. 25 Jahre lang lag er dann in einem Schrank im Keller meiner Eltern.
Angeregt durch Jogi's Röhrenbude habe ich mich zum Neuaufbau entschlossen. Das Gehäuse sollte mechanisch stabil sein und Berührungsschutz sowie heute brauchbare Cinch- Stecker bieten. Zusätzlich wollte ich statt der einfachen Tonblende einen Klangregler einbauen.
Die vorhandenen Röhren aus den Jahren 1938-1951 erwiesen sich beim Messen noch als gut. Die Vorkriegs-AL4 mit der schönen Form hat Datenbuchwerte, sie ist besser als die Nachkriegs-AL4 mit dem modernen Kolben. Lediglich die Tungsram-AZ1 erwies sich bei der Inbetriebnahme als etwas schwach und wurde durch eine Telefunken-AZ1 ersetzt.
Der Netztrafo würde die beiden wegen des Klangreglers zusätzlich erforderlichen Vorröhren vermutlich verkraften. Die zeitraubendste Arbeit war die Planung des Aufbaus und der Bau des Gehäuses. Als Chassis dient eine 2mm starke halbharte Aluminium-Platte 200*400mm, die in einem einfachen Holzrahmen mit Griffen befestigt wird.
Nach Aufzeichnen und Prüfen der Leitungsführung mußte die zuerst geplante Anordnung der Bauteile nochmals komplett geändert werden. Die Masse der Bauelemente findet auf 3 Lötösenleisten Platz, die unterhalb der Röhrenfassungen befestigt sind.
Die Schaltung orientiert sich zunächst an den vorhandenen Bauteilen wie Röhren, Netztrafo, Ausgangstrafos. Je Kanal ist ein direkter und ein abgeschwächter Eingang auf den Lautstärkeregler vorgesehen. Die Balanceeinstellung erfolgt im Kathodenkreis der Eingangsstufen. Für den Klangregler wurde eine Bandaxall-Schaltung zwischen den beiden Vorröhren gewählt. Eine leichte Gegenkopplung von der Sekundärseite der Ausgangstrafos zur Kathode der Treiberröhre linearisiert das Übertragungsverhalten.
Das Netzteil erhielt ein Eingangsfilter, eine Siebdrossel zusätzlich zum Siebwiderstand und eine Sicherung gegen Elkoschäden in der Leitung von der Mittelanzapfung der Anodenspannungswicklung zur Masse. Wegen der hohen Spannung der Anodenspannungswicklung von ca. 350V - ursprünglich war wohl die Erregerwicklung eines elektrodynamischen Lautsprechers als Drossel verwendet- müssen die Elkos mindestens für 450/485V, besser für 500V geeignet sein. Die Simulation mit PSUD zeigte, daß die Betriebsspannung während der Aufheizzeit der Endröhren auf 492 Volt ansteigt. Ein zusätzlicher Widerstand (R46) parallel zum letzten Siebkondensator reduziert die Spannung auf ca. 470V, so daß die 450/485 V-Elkos bessere Überlebenschancen haben.
Zur Reduktion der Spitzenbelastung der AZ1 wird der gleichgerichtete Strom über zwei Schutzwiderstände von beiden Heizfadenanschlüssen abgenommen. Bei den Heizwicklungen für die Verstärkerröhren ist die Mittelanzapfung zwecks Erdung herausgeführt.
Alle Metallteile sind mit dem Schutzleiter verbunden, die Masseleitung an einer Stelle des Chassis ebenfalls.
Bei der Inbetriebnahme stellte sich im Kopfhörer ein zunächst unerklärlicher Brumm heraus, der offensichtlich von den Vorröhren kam. Schnell wurde der vergessene Masseanschluß der Heizwicklungsmitte als Übeltäter gefunden.
Der Verstärker besticht durch angenehmes,neutrales Klangbild. Mit dem Oszilloskop war beim 1kHz-Rechteck lineares Verhalten bei Mittelstellung der Klangregelpotis zu sehen. Der richtige Anschluß der Sekundärwicklung und die Wirkung der Gegenkopplung lassen sich damit ebenso gut feststellen.
Es ist erstaunlich, was mit dieser geringen Leistung an Klangfülle aus den Baßreflexboxen (VIB Extra, 88dB) zu holen ist. Dabei gibt es eine gute Baßwiedergabe und keinen Brumm. Im Kopfhörer ist direkt beim Einschalten - auch mit gezogener Gleichrichterröhre- ein ganz leichter Brumm vernehmbar, vermutlich streut der Netztrafo trotz 90° Verdrehung leicht in die Ausgangstrafos ein. Damit kann ich leben.
Als letztes wurde noch eine stabile Abdeckung für die Trafos und die Drossel gebaut. Im Sommer muß sie noch lackiert werden. Jetzt ist wieder Musikhören mit Röhren angesagt. Der Sohn (2 1/2) ist jedenfalls nach ausgiebigen Tests schon ein großer Fan geworden.
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